Seit 1959 werden im schweizerischen Biel/Bienne die Bieler Lauftage ausgetragen. Das Highlight der Lauftage ist der berühmte 100 Kilometer Lauf, der nachts stattfindet. Mit dabei war dieses Jahr Manu Harter aus Berghaupten.
Erfahrt im ersten Teil des Talk The Heads (TTH)-Interviews unter anderem wie er sich vorbereitet hat, wann Laufschuhe gewechselt werden sollten, worauf man bei einer Laufuhr achten muss und ob Mickey Goldmill Recht hatte.
TTH: Hi Manu, schön, dass es geklappt hat zum ersten Interview von Talk The Heads. Bitte stelle dich ganz kurz vor.
Manu: Danke für die Möglichkeit über das Erlebnis zu sprechen. Ich bin 36 Jahre alt, verheiratet und habe zwei Kinder (6 und 4 Jahre). Ich habe viel Fußball und Tennis gespielt. Seit der Familiengründung ist sowohl Fußball als auch Tennis in der Hintergrund getreten.
TTH: Wie sind die Hardfacts Größe und Gewicht?
Manu: Ich bin 1,80 Meter und wiege etwa 72 Kilogramm.
TTH: Kannst du deine sportliche Laufbahn noch etwas präzisieren?
Manu: Mit 6 Jahren habe ich mit dem Fußball beim SVB angefangen. Ich habe gespielt bis ich 32 Jahre war. Mit der Geburt des zweiten Kindes habe ich aufgehört. Nebenbei habe ich noch Tennis gespielt und bin viel Fahrrad gefahren.
TTH: Welche Rolle hat das Laufen früher gespielt?
Manu: Ich war in der Fußballmannschaft schon immer laufstark und war außerhalb des Trainings joggen. Was immer zu kurz gekommen ist (wegen den Spielen am Wochenende) war die Teilnahme an Läufen. Das ging nicht. Ich bin einmal einen Halbmarathon an einem Samstag gelaufen und am Sonntag haben wir Fußball gespielt. Blöd war, dass der Halbmarathon in Gengenbach gestartet ist und die Strecke direkt am Haus von Kuno (damaliger Trainer) vorbeiführte. Das Spiel ging 5:0 verloren. Im nächsten Training gab es eine entsprechende Ansage von Kuno (lacht).
TTH: War es schon immer der Plan sich nach dem Fußball auf das Laufen zu konzentrieren?
Manu: Absolut. Ich hatte schon immer im Kopf an Läufen teilzunehmen. Das Laufen hat den großen Vorteil, dass man das Training frei gestalten und es somit besser mit dem Familienleben vereinbaren kann. Es gibt keine festen Trainingszeiten, sondern ich kann trainieren wann es passt.
TTH: Spielte der 100-km-Lauf schon zu Beginn eine Rolle?
Manu: Nein, ich wollte erst mal schauen wie weit es geht, ohne konkretes Ziel. Zuerst bin ich 10 Kilometer gelaufen, dann den Schluchseelauf mit 18 Kilometer. Es folgte ein Halbmarathon in Karlsruhe und danach zwangsläufig der Marathon. Ich konnte die Läufe eigentlich immer problemlos absolvieren und die Zeiten, die ich mir gesetzt hatte, erreichen. Deshalb war es logisch die Distanzen zu vergrößern.
TTH: Wie hast du von dem 100-km-Lauf erfahren?
Manu: Mein Onkel hat als Rad-Begleitung für einen Freund an dem Lauf teilgenommen. Er hat davon erzählt.
TTH: Warum war das so interessant? Um die eigenen Grenzen auszutesten?
Manu: Genau. Es ging weniger um die Zeit, sondern darum was man mit eigenen Körper erreichen kann, wenn man sich diszipliniert darauf vorbereitet. Und dann das Erlebnis durch die Nacht zu laufen. Das ist einmalig.
TTH: Biel hat eine große Tradition.
Manu: Es ist der älteste Ultralauf in Europa seit 1959 und der bekannteste Lauf. Die Anreise von uns ist mit drei Stunden mit dem Auto ebenfalls attraktiv. (Anmerkung der Redaktion: Ultraläufe, bzw. Ultramarathon bezeichnet Läufe, die länger als die Distanz von 42 Kilometer sind.)
TTH: Wann wurde es konkret?
Manu: Ich habe mich kurz vor Silvester 2021 angemeldet. Bis Silvester war die Startgebühr noch etwas günstiger (lacht).
(Anmerkung der Redaktion: Die Kosten waren 180 Euro plus 25 Euro für die Rad-Beteiligung.)
TTH: Welche Ausrüstung benötigt man eigentlich?
Manu: Zu allererst Schuhe. Obligatorisch ist bei einem Lauf in der Nacht die Stirnlampe. Ich habe mir Kompressionssocken gekauft, welche die Ermüdung hinauszögern sollen. Ob es etwas bringt oder nicht weiß ich nicht. Da der Vater als Begleitfahrer dabei war, musste ich nicht so viel bei mir tragen. Läufer ohne Begleitung tragen meist eine Laufweste.
TTH: Zurück zu den Schuhen. Hattest du die gleichen Schuhe in der Vorbereitung an wie bei dem Lauf?
Manu: Man hat mehrere Schuhe. Für Laufschuhe gilt, dass sie etwa 1000 Kilometer halten. Man sollte mehrere Paare laufen, damit der Fuß immer etwas gefordert ist und sich nicht auf ein Modell fixiert. Es gibt dann aber einen Schuh von dem man weiß, dass man diesen beim Wettkampf läuft. Über die Laufbandanalyse in einem orthopädisches Schuhgeschäft (bspw. Trautmann in Appenweier) erfährt man, ob die Schuhe zum eigenen Laufstil passen. Je länger man läuft, umso wichtiger wird das. 10 Kilometer kann man in nahezu jedem Schuh laufen.
TTH: Du benutzt unterschiedliche Marken bei Schuhen?
Manu: Ja, ich bin nicht auf eine Markte festgelegt.
TTH: Und welche Schuhe waren es dann final?
Manu: Asics (siehe Bild).
TTH: Das Rennen an sich läuft man aber nur mit einem Paar Schuhen?
Manu: Ja. Wobei ich auch Läufer gesehen habe, die zwei Paar Schuhe dabeihatten.
TTH: Wie viele Kilomater waren auf den Schuhen, die du in Biel benutzt hast?
Manu: Ich hatte die Schuhe etwa 300 – 400 Kilometer benutzt.
TTH: Wie behältst du den Überblick, wie viele Kilometer du pro Schuhe gelaufen bist?
Manu: Ich habe ein App (Garmin Connect), die jede Trainingseinheit aufzeichnet. Über eine Bibliothek in der App kann ich auswählen, welche Trainingseinheit ich mit welchen Schuhen laufe. So sehe ich recht schnell welcher Schuh bald fertig ist.
TTH: Wie verhält es sich mit der Uhr?
Manu: Ich nutze dazu eine kompatible Garmin Laufuhr.
TTH: Was muss eine gute Laufuhr leisten können?
Manu: Meine erste Laufuhr habe ich vor zwei Jahren geschenkt bekommen. Aber nach 7 Stunden im GPS-Modus war der Akku leer. Daraufhin habe ich mir die jetzige Uhr gekauft. Ab 250 Euro erhält man etwa gute Modelle. Dazu habe ich mir noch einen Brustgurt gegönnt für knapp 90 Euro, weil dieser genauer aufzeichnet, als Uhren die über Sensor die Herzfrequenz messen.
TTH: Wie verhält es sich mit dem Puls? In welchem Intervall sollte sich der Puls etwa befinden?
Manu: Wichtig ist zu wissen, wo die eigene maximale Herzfrequenz liegt. Das ist bei jedem Mensch unterschiedlich.
TTH: Wie finde ich das heraus?
Manu: Über Belastungstests oder man macht Einheiten mit mehreren Intervallen, bei denen du All-out gehst, also bis nichts mehr geht. Das habe ich gemacht. Von früheren Laktattests weiß ich, dass ich eine relativ niedrige maximale Herzfrequenz habe. Das wurde mir schon vom Top-Life attestiert. Bei 180 liegt meine Herzfrequenz. Für den 100-km-Lauf habe ich aufgrund der Länge in einem humanen Bereich trainiert von etwa 130 bis 135 Schlägen pro Minute. Höher sollte man nicht kommen. So war es dann auch bei dem Lauf. Marathon läuft man etwa mit 20 Schlägen mehr, da sind es aber auch nur 42 Kilometer.
TTH: Wenn der Puls davon abweicht, dann bin ich schlecht drauf oder krank?
Manu: In der Vorbereitung hatte ich Corona. Danach hatte ich bei gleicher Geschwindigkeit deutlich mehr Puls. Geschwindigkeit und Puls muss immer ins Verhältnis gesetzt werden. Daran habe ich ganz deutlich gesehen, dass ich noch etwas geschwächt war.
TTH: In der Vorbereitung hat somit kein Intervalltraining stattgefunden?
Manu: Nein. Durch die Coronaerkrankung war die Vorgabe von Dr. Dreher, dass der Puls nicht zu weit nach oben gehen sollte. Das kam mir aufgrund der anstehenden 100 Kilometer aber nicht wirklich ungelegen. Ich hatte keine Ambitionen, mehrfach in der Woche intensives Training zu machen. Ich wollte eher die gemütlichen Läufe machen.
TTH: Wie verlief die Vorbereitung sonst? Hat die App einen Plan vorgegeben?
Manu: Ich habe mich im Internet eingelesen. Über die Erfahrungsberichte habe ich mir das selbst zusammengestellt und vier bis fünf Mal in der Woche trainiert.
TTH: Gab es eine Gesamtleistung, die du in der Vorbereitung erreichen wolltest?
Manu: Auf den Kilometer habe ich das nicht heruntergebrochen. Immer so wie es ging.
TTH: Wie sieht ein konkreter Trainingstag unter Woche aus?
Manu: Ich stehe bspw. um 4 Uhr auf und gehe um 4.30 Uhr eine Stunde laufen.
TTH: Hast du Zeit für einen Kaffee?
Manu: Das hängt schon davon ab, was ich machen will. Wenn ich intensiver trainiere, esse ich ein kleines Marmeladenbrötchen und trinke einen Kaffee dazu.
TTH: Kaffee widerspricht nicht der sportlichen Leistung?
Manu: Nein. Wenn ich allerdings morgens nüchtern trainiere, dann trainiere ich gezielt den Fettstoffwechsel. Dann trinke ich nur ein Glas Wasser. Das mache ich ein bis zwei Mal die Woche. Nach jeder Einheit laufe ich aus und dehne mich noch.
TTH: Wie viele Kilometer machst du bei so einer Einheit morgens?
Manu: Das sind meist 10 bis 15 Kilometer. Nach dem Auslaufen und Dehnen ist es wichtig gut zu frühstücken. Meistens Haferflocken. Um 7 Uhr gehe ich auf den Zug zur Arbeit. Abends mache zusätzlich noch etwa 20 Minuten Kräftigungsübungen. Bei so einem langen Lauf ist es wichtig eine stabile Rumpfmuskulatur zu haben. Also Bauch und Rücken. Hier habe ich mir ein eigenes Programm zusammengestellt. Außerdem nutze ich noch eine Blackroll (Faszienrolle), damit sich die Muskulatur entspannt.
TTH: Wie sieht es am Wochenende aus?
Manu: Da mache ich meist einen langen Lauf morgens oder abends. Das sind um die 30 – 35 Kilometer. Dafür benötige ich knapp 2 Stunden und 45 Minuten. Mehr geht zeitlich nicht.
Für den 100-km-Lauf bin ich einmal 30 Kilometer und am Tag darauf 50 Kilometer gelaufen. Das war das Maximum. Darüber soll die Ermüdung simuliert werden.
TTH: In der Vorbereitung läufst du keine große Runde, sondern mehrere kürzere Runden. Warum?
Manu: Ich habe zuhause immer Trinken und Essen hinterlegt. Ein wichtiger Punkt in der Vorbereitung ist die Verträglichkeit von Gel und Trinken zu testen. Nur so weiß man, ob der Magen das Getränk oder das Gel während dem Wettkampf auch verträgt. Deshalb hatte ich das immer im Garten vorbereitet.
TTH: Wie sieht es mit Obst und Gemüse aus?
Manu: Zusätzlich zu den Gels habe ich mich klassisch auf Banane und auf Datteln beschränkt.
TTH: Du nimmst sonst keine feste Nahrung, wie eine kleine Portion Nudeln, zu dir?
Manu: Nein.
TTH: Wie ist mit Getränkten?
Manu: Da habe ich verschiedene Sachen mit Kohlenhydraten ausprobiert. Etwa Agavendicksaft und Reissirup. Das habe mir selbst zusammengestellt. Während dem Lauf werden Kohlenhydratgetränke zur Verfügung gestellt. Für mich hatte ich nur selbst gemixte Drinks dabei. Insgesamt habe ich letztendlich festgestellt, dass ich einen relativ robusten Magen habe.
TTH: Ein wichtiger Bestandteil in der Vorbereitung ist also die Ernährung?
Manu: Absolut. Ich habe mich im Internet viel eingelesen. Die Sachen, die mir immer wieder begegnet sind, habe ich versucht umzusetzen. Sonst gilt generell: Wenig Alkohol und ein gesunder Lebensstil. Ich habe mir dabei gedacht: Ich reiße mir nicht den Arsch auf und stehe um 4 Uhr morgens auf, nur um mir mittags Currywurst/ Pommes und abends drei Bier zu gönnen. Sonst hält sich der Trainingseffekt in Grenzen…
TTH: Sagt dir der Name „Mickey Goldmill“ etwas?
Manu: Nein.
TTH: Mickey Goldmill war der Trainer von Rocky. Mickey bläut Rocky im Training ein: „Women weaken legs“. Wie verhält es sich mit Sex? Ist Enthaltsamkeit in der Vorbereitung oder vor dem Rennen zu raten?
Manu: Da gibt es keinen Zusammenhang. Es gilt: Machen wozu man Lust hat (lacht).
(Anmerkung der Redaktion: Einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Sex und sportlicher Leistungsfähigkeit gibt es nach moderater Internetrecherche nicht.)
TTH: Habt ihr die Begleitung mit dem Fahrrad durch Robert im Training ausprobiert?
Manu: Einmal haben wir es ausprobiert. Er ist 24 Kilometer mitgefahren um das Reichen des Trinkens zu testen oder das Reichen eines Riegels.
Im zweiten Teil des Talk The Heads-Interviews spricht Manu über das Rennen. Erfahrt demnächst außerdem was Tapering bedeutet, was es mit der vorletzten Nacht vor dem Rennen auf sich hat, ob ein Laufburnout droht und wie sich Manu bei den Talk The Heads: 10 Quick and Dirties (10 QaD) schlägt.